"[III.23.- Wermut] - Artemisia absinthium (Compositae) - Absinth, Wermut
Das Absinthion, das sehr bittere [die Aegypter nennen es Somi, die Römer Absinthium rusticum] ist ein bekanntes Kraut. Das beste davon ist das in Pontus und Kappadokien an dem Gebirge wachsende, welches der Taurus heisst. Es hat die Kraft, zu erwärmen, zu adstringiren, die Verdauung zu befördern, und Magen und Bauch von hineingedrungenen galligen Stoffen zu reinigen. Es treibt den Harn und verhindert, wenn es vorher genommen wird, den Rausch. Mit Sesel und keltischer Narde getrunken ist es ein gutes Mittel gegen Blähungen und Bauch- und Magenschmerzen, auch heilt der Aufguss oder die Abkochung davon Appetitlosigkeit und Gelbsucht, wenn sie täglich in der Gabe von 3 Bechern genommen werden. Getrunken sowohl wie auch mit Honig als Zäpfchen eingelegt befördert es die Katamenien. Mit Essig getrunken ist es ein gutes Mittel gegen die verderbliche Wirkung von (giftigen) Pilzen, mit Wein aber gegen Ixia und Schierling, gegen den Biss der Spitzmaus und den Meerdrachen. Gegen Schlundmuskelentzündung gibt es die beste Salbe mit Honig und Natron, gegen Epinyktiden mit Wasser, gegen Sugillationen unter den Augen mit Honig; gegen Stumpfsichtigkeit und eiterflüssige Ohren wird es in gleicher Weise angewandt. Die Bähung mit einer Abkochung davon hilft bei Ohren- und Zahnschmerzen. Die Abkochung mit süssem Wein ist als Umschlag für sehr schmerzhafte Augen angebracht. Es wird auch als Umschlag gebraucht gegen Unterleibs-, gegen Leber- und Magenschmerzen, auch wenn sie chronische Leiden sind, zusammengemischt mit kyprischer Wachssalbe, beim Magen mit Rosensalbe. Auch den Wasser- und Milzsüchtigen bringt es Besserung, wenn ihm Feigen, Natron und Taumellolchmehl zugemischt werden. Es wird auch ein Wein daraus bereitet, der sogen. Wermuthwein, vorzüglich in der Propontis und in Thrakien, wo man ihn in den vorhingenannten Fällen bei Fieberfreiheit anwendet. Auch sonst trinken sie ihn im Sommer vorher (d.h. vor der Mahlzeit), indem sie glauben, dass er der Gesundheit zuträglich sei. Er (der Wermuth) scheint auch, in den Schränken aufgehängt, die Kleider vor Mottenfrass zu schützen und mit Oel zusammen als Salbe die Mücken abzuhalten, so dass sie den Körper nicht belästigen. Wird die Schreibtinte mit einem Aufguss desselben versetzt, so bewahrt es die Schriftstücke vor Mäusefrass. Der Saft des Absinths scheint aber dieselbe Wirkung zu auszuüben, ausser dass wir ihn nicht zu Tränken für gut halten, da er dem Magen zuwider ist und Kopfschmerzen verursacht. Einige verfälschen den Saft durch Zumischung von eingekochtem Oelsatz."
(Dioskurides: Materia Medica, Übersetzung von Julius Berends, 1902)

"[V.49. - Wermuthwein]
Der Wermuthwein wird auf mancherlei Weise dargestellt. Einige setzen zu 48 Xestes italischer Krüge 1 Pfund pontischen Wermuth und kochen bis auf den dritten Theil ein; dann mischen sie 6 Xestes Most vorsichtig mit ½ Pfund Wermuth, giessen dieses nach und seihen nach dem Absetzen durch. Andere geben 1 Mine Wermuth in den Krug und maceriren ihn mit 1 Metretes Most, den zerstossenen und in loses Leinen gebundenen Wermuth lassen sie zwei Monate darin. Noch Andere geben 3, auch 4 Unzen Wermuth, syrische Narde, Zimmt, Kasia, Bartgrasblüthe, Kalmus, Palmenspathe, von jedem 2 Unzen zerstossen und zu einem Bündel zusammengeschnürt in 1 Metretes Most und lassen es zwei bis drei Monate darin. Dann ziehen sie den Wein ab, füllen ihn um und heben ihn auf. Wieder Andere geben in 1 Metretes Most 14 Drachmen keltische Narde und 40 Drachmen Wermuth, in ein Leintuch gebunden, und füllen nach vierzig Tagen ab. Endlich geben Einige auf 20 Xestes Most 1 Pfund Wermuth und 2 Unzen trockenes Fichtenharz, klären nach zehn Tagen ab und heben den Wein auf.
Er ist dem Magen bekömmlich, harntreibend, bei träger Verdauung von guter Wirkung, ebenso bei Leber- und Nierenleiden, bei Gelbsucht, Appetitlosigkeit und schlechtem Magen. Ferner ist er ein gutes Mittel gegen chronische Spannung im Unterleibe, gegen Blähungen, runde Eingeweidewürmer, verzögerte Menstruation, endlich gegen verschluckte Mistel, wenn er im Uobermaaes getrunken und wieder erbrochen wird."
(Dioskurides: Materia Medica, Übersetzung von Julius Berends, 1902)