"Wacholderbeeren: Die Droge besteht aus den reifen, sorgfältig getrockneten "Beeren" des gewöhnlichen Wacholders, Juniperus communis. Die "Beeren" stellen aus botanisch-morphologischer Sicht eine Scheinfrucht dar; sie bildet sich, indem 3 fleischig werdende Fruchtblätter zu einer kugeligen Scheinbeere verwachsen.
Beim Zerreiben macht sich ein koniferenartiger, an Terpentin erinnernder Geruch bemerkbar. Wacholderbeeren schmecken süß mit einem bitter-herben Nachgeschmack. Inhaltsstoffe sind ätherisches Öl (0,5-1,5%), Harz (10%), Flavonoide und Invertzucker (etwa 30%).
Wacholderbeeren sind Ausgangsmaterial zur Gewinnung des Wacholderbeeröls - nicht zu verwechseln mit dem ätherischen Öl, das aus dem Holz von Juniperus communis destilliert wird. Die Handelsöle sind häufig verfälscht, womit vermutlich die hohen Gehalte an Kohlenwasserstoffen (>60%) mancher Handelsöle ihre Erklärung finden. Wacholderbeeröl ist eine klare, bei längerem Aufbewahren sich gelb färbende Flüssigkeit, die charakteristisch riecht und bitter brennend schmeckt. Die Droge dient zur Herstellung von Wacholderbranntwein (Steinhäger, Genever, Doornkaat, Gin); Hinweis: Ätherische Öle verstärken die schädliche Wirkung des Alkohols. Weiters dient sie als Gewürz für Sauerkraut, Wild, Wildgeflügel und Fischmarinaden. Pharmazeutisch verarbeitet man Wacholderbeeren zu Trockenextrakten, die Bestandteil von sofort löslichen Tees sind. Wacholderbeeröl dient als Zusatz für Badeöle und Badesalze; auch in Salben inkorporiert zur lokalen Hyperämisierung.
Wacholderbeeren sollen nach älteren experimentellen BEfunden harntreibende und antiseptische Eigenschaften haben. Selbst wenn diese Wirkungen für die Droge nicht zuträfen, so kann daraus nicht auf entsprechende Wirkungen von Wacholderpräparaten geschlossen werden, solange die quantitativen Verhältnisse nicht berücksichtigt werden: Ein hoch dosierter alkoholischer Extrakt oder ein ölfreier Trockenextrakt sind nicht miteinander zu vergleichen. Zubereitungen aus Wacholderbeeren, soweit sie ätherisches Öl enthalten, wirken karminativ und appetitanregend. Sie sind angezeigt bei Verdauungsbeschwerden wie Aufstoßen, Sodbrennen und Völlegefühl.
In das Wacholderbeereninfus dürften, da sie in Wasser unlöslich sind, nur sehr geringe Mengen Terpenkohlenwasserstoffe übergehen. Ob die sofort löslichen Tees Terpene enthalten, und ggf. in welchen Mengen, auch darüber liegen bisher keine Angaben vor. Die bekannten toxikologischen Wirkungen des Öls - Harndrang, Schmerzen beim Wasserlassen, Hämaturie, Albuminurie - sollten daher nicht ohne Kenntnis der relevanten Konzentrationen an Wirkstoffen auf die Präparate extrapoliert werden."
(Ernst Steinegger, Rudolf Hänsel: Lehrbuch der Pharmakognosie und Phytopharmazie, Springer-Verlag, 1988)