"[III.86. - Euphorbion] - Euphorbia resinifera (Euphorbiaceae) - Euphorbium
Das Euphorbion ist ein steckenkrautähnlicher libyscher Baum, welcher am Atlas in Maurusien wächst, voll eines scharfen Saftes, vor dem die dortigen Bewohner sich fürchten und ihn wegen des heftigen Brennens so sammeln: Sie binden also frische gereinigte Schafmägen um den Baum und verwunden dann aus der Ferne seine Rinde mit Wurfspeeren; sofort aber, wie aus einem Gelässe ergießt sich der Saft reichlich in die Magen, er wird aber auch herausgeschleudert und auf die Erde gespritzt. Es gibt zwei Arten des Saftes, den durchscheinenden, wie Sarkokolla, von Erbsengröße, und den glasartigen, in den Mägen gesammelten. Verfälscht wird er durch Vermischen mit Sarkokolla und Leim. Wähle aber den durchsichtigen und scharfen. Schwer ist er durch eine genommene Kostprobe zu beurteilen, weil, wenn einmal die Zunge davon berührt ist, das Brennen eine ziemliche Zeit anhält, so daß alles ihr Gebotene Euphorbium zu sein scheint. Die Erfindung desselben wird aber auf Juba, den König von Libyen, zurückgeführt. Der Saft hat, eingestrichen, die Kraft, Unterlaufungen des Auges zu verteilen; er brennt jedoch den ganzen Tag, deshalb wird er mit Honig oder mit Kollyrien zu dem betreffenden Schärfegrade gemischt. Er ist ein gutes Mittel bei Ischiasleiden, wenn er einem aromatischen Tranke zugesetzt und getrunken wird. Knochensplitter zieht er am selben Tage aus, bei der Anwendung muß man aber das um die Knochen herum liegende Fleisch mit Charpie oder Wachssalbe sichern. Einige erzählen, daß den von Schlangen Gebissenen keinerlei Ungemach passiert, wenn man die Kopfhaut bis auf die Knochen einschneidet, den fein geriebenen Saft hineinschüttet und die Wunde zunäht."
(Dioskurides: Materia Medica, Übersetzung von Julius Berends, 1902)