• "Agnus castus oder Vitex L. Keuschlamm, Mönchspfeffer oder Müllen (Verbenae). Agnus ist eine staudenartige Pflanze, warm und trocken im 3. Grade, von beissendem und adstringirendem Geschmacks. Medicinisch verwerthbar sind Blätter, Blüthen und Früchte. Letztere erzeugen beim Genusse Kopfweh. Agnus castus ist gegen Flatulenz wirksam, besonders in getrocknetem Zustande. Frisch und getrocknet ist Agnus ein wirksames Antiaphrodisiacum. Diese Wirkung äussert sich nicht nur bei innerem Gebrauche, sondern auch bei äusserem, wenn man die Pflanze als Unterlage im Bette verwendet. Deshalb legen sich die Weiber während der Thesmophorien den Strauch ins Bett. Diese Wirkung erklärt auch den Namen der Pflanze. Man braucht diese Pflanze ferner zur Vertheilung von Stauungen und Verhärtungen der Leber und Milz, auch als Emenagogum.
    Hippokrates schreibt dieser Pflanze adstringirende Wirkung zu und verwendet sie ausserdem mit Ochsengalle und Cedernöl vermischt als Suppositorium zur Abtreibung von Bandwürmern. Scribonius Largus wendet semen agni in Essig abgekocht gegen Kopfschmerzen an. Abu Mansur stellt genau dieselben Indicationen für den Gebrauch von Agnus castus wie Galen auf. Sickenberger sagt: „Diese Samen sind heute noch als Mittel gegen Asthma im Gebrauche und habe ich wirklich staunenswerthe Erfolge dadurch erzielen sehen“. Aus Obigem geht wohl zur Evidenz hervor, dass die Pflanze einer eingehenden pharmacolog. Untersuchung würdig ist. Vielleicht würde sich eine sedative Wirkung auf das Nervensystem ergeben?"

    (Ludwig Israelson: Die "materia medica" des Klaudios Galenos, 1894)
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