"Lynkraut würt von ettlichen Flachßkraut / unser frawen Flachß / wilder Flachß / Krottenflachß / Nabelkraut / und Harnkraut genent. Auff Griechisch und Lateinisch Osyris. In den Apotecken Linaria. Sölche namen hat es aber fast all überkommen darumb / das es dem Flachß seer gleich ist.
Lynkraut ist ein kraut der Wolffßmilch so änlich / das nit yederman wol von einander erkennen mag. Sein stengel und äst seind schwartzlecht / zart unn zäch. Die bletter / welcher zu zeiten drey oder vier / zu zeiten fünff oder sechs beyeinander steen / seind den Flachß blettern gantz gleich / erstlich schwartzgrün / darnach rotlecht. Seine blumen liechtgeel / wie die Rittersporn formiert. Mitten in disen blume seind gantz totterfarb geele strömlin / on allen geruch / die werden zu runden knöpffen oder bollen / darinn ist breyter schwartzer samen. Die wurtzel ist schlecht / von welcher wachsen vil andre / die kriechen neben herumb.
Harnkraut wechßt auff ungebawten orten / auff den mauren / unnd hinder den zeünen allenthalben.
Lynkraut blüet den gantzen summer und gegen dem Herbst.
Harnkraut ist warm und trucken / und in keinen weg kalt unnd feücht / dieweil es bitter ist / und den harn treibt / wie wir dann weitleüffiger sölchs in unserm Lateinischen kreüterbuch haben angezeygt / an welchem ort wir auch ursachen diser unser meynung dargethon haben.
Lynkraut gesotten unn getruncken / ist denen so die geelsucht haben seer dienstlich. Es nimpt auch hinweg allerley verstopffung der leber / und des miltz. Vertreibt allerley mäler und flecken des leibs / macht ein schön angesicht / in sonderheyt aber thun sölchs die bletter. Lynkraut treibt auch den harn gewaltigklich / darumb es würt Harnkraut genent."
(Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543)