"Knabenkraut würdt von den Griechen und Lateinischen Orchis unnd Cynosorchis geheyssen / zu unsern zeiten Testiculus canis. Ursach sölcher namen haben wir im Latein gnugsam angezeygt.
Des Knabenkrauts findt man fünfferley geschlecht. Das erst ist seer groß an blettern und blumen / würdt zu Latein Orchis mas latifolia geheyssen / zu Teütsch breyt Knabenkraut mennle. Das ander geschlecht hat schmelere bletter / würdt Orchis mas angustifolia zu Latein geheyssen / auff Teütsch schmal Knabenkraut mennle. Das dritt geschlecht ist etwas niderer dann die vorigen / darumb es das weible geheyssen würt / und seind desselbigen auch dreierley geschlecht. Das erst ist Orchis foemina maior genent / das ist / Knabenkraut weible das grösser. Das ander Orchis foemina media / das ist / Knabenkraut weible das mittel. Das dritt Orchis foemina minor / das ist / Knabenkraut weible das kleiner.
Das breyt Knabenkraut mennle hat gemeinlich drey oder vier bletter umb den stengel / den Meyenblümlin oder Zeitlosen blettern gleich. Sein stengel ist ungevärlich anderhalb spannen hoch. Die blumen seind leibfarb unn gesprenckt. Die wurtzel seind zwey hödlin die steen bey einander wie zwo Muscatnuß / das ein oben / welches kleiner und völler ist / das ander unden / welchs weycher und runtzelechter ist. Das schmal Knabenkraut mennle hat auch bletter wie die Zeitlosen / doch schmeler unnd zärter / die seind mit schwartzen oder braunen flecken besprengt. Die blumen seind purpurbraun. Die wurtzeln seind rund gestalt wie zwo Oliven / mit ettlichen zaseln. Die ein wurtzel ist voll unnd tänet / die ander aber lär und welck. Knabenkraut weible das grösser hat bletter die seind den Zeitlosen blettern gar änlich. Die bletter seind purpurfarb. Die wurtzeln seind auch formiert wie zwey vogel eyer. Das öberst ist rund / unn seer klein / das underst aber vil grösser und langlechter. Knabenkraut weible das mittel / ist mit blettern unn stengel dem vorigen gleich / die blumen aber seind kleiner unn außwendig braun / inwendig aber weiß mit seer kleinen schwartzen tüpffelin besprengt. Die wurtzeln seind wie zwo langlechte nuß gestalt / doch ist eine grösser dann die ander. Knabenkraut weible das kleiner ist ein fein kraut / zärter und kleiner dann die vorigen / sonst ist es dem schmalen Knabenkraut mennle seer gleich / doch seind die bletter nit besprengt / unnd die wurtzeln / welche auch als zwey eyer geformiert / vil kleiner / wie dann sölchs das gemäl klärlich anzeygt / und an tag gibt.
Das erst / wie auch alle andre geschlecht des Knabenkrauts / wechßt gern in sandigem grund / auff bergen / und in wisen.
Die Knabenkreüter blüen im Meyen und anfang des Brachmonats.
Die größte wurtzel der Knabenkreüter ist warm unnd feücht / unnd am geschmack etwas süsser. Die kleiner aber und welcke ist mehr gekocht / und derhalben wermer und trückner dann die groß.
Die wurtzel ist bey den allten in der speiß gebraucht worden / welchs noch geschehen mag. Wann die menner die grosse volkommenliche wurtzel essen / so geberen sie knäblin. Die weiber aber empfangen mägdlin so sie die kleiner essen. Daher kompts das an etlichen orten / als in Thessalia / der brauch gewesen ist / das die klein in geysmilch ist jngenommen worden / auff das einer zur unkeüscheyt gereytzt würde. Hergegen die lär und welcke / zu verhinderung derselbigen. Ursach aber ist dise. Die volkommene wurtzel hat vil überige feüchtigkeyt unn gebiert bläst unnd wind / darumb erweckt sie lust zu den Eelichen wercken. Die welcke aber lescht auß sölche begird / dieweil sie vil mehr trücknet dann die so volkommen ist. Wann mans essen wil / so muß mans braten wie die Pfifferling. Die wurtzel zerstossen und übergelegt / zerteylen und verzeren allerley geschwulst. Deßgleichen thun sie auch mit gersten maltz übergeschlagen. Sie heylen auch alle fliessende geschwär / das essen im mund / und alle serigheyt desselbigen. "
(Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543)

"Ragwurtz würdt bey den Griechen Orchis serapias / oder Triorchis / zu Latein aber Testiculus Serapias geheyssen. Ursachen sölcher namen seind in unserm Lateinischen kreüterbuch nach der leng angezeygt. Der Ragwurtzen seind fürnemlich zwey geschlecht. Eins mit schönen purpurfarben blumen. Das ander mit vilerley farben / als purpurbraun / weiß / geel unn grün durch einander vermengt. Das underst an der blumen vergleicht sich einer horneß oder bremen / das oberst aber sicht einem vögelin / mit seinem haupt und auffgethonen flügeln gleich / seind sonst mit stengeln / blettern unnd wurtzeln einander fast gleich / doch ist das ander geschlecht höher.
Der Ragwurtz bletter seind den Lauchblettern gleich / aber breyter und feyßter / und unden gegen der wurtzel zusamen gewicklet und gebogen. Die stengel seind ungevärlich anderhalb spannen lang. Die blumen gestalt wie oben angezeygt / unn das gemäl klärlich außweißt. Die wurtzel seind formiert wie die nuß / allwegen drey bey einander / und ist alweg eine grösser dann die ander.
Die Ragwurtzen wachsen gern in starckem grund und in den wisen.
Die Ragwurtzen blüen im end des Meyens / unn anfang des Brachmonats am fürnemlichsten.
Die Ragwurtzen trücknen auß und wermen / wie die Knabenkreüter.
Die wurtzel von gedachten Ragwurtzen zerknütscht oder zerstossen unnd übergelegt / verzeret und zerteylt allerley geschwulst / reyniget die geschwär und schäden. Uber die fistel gelegt / heylet sie dieselbigen. Gedörrt und jngestrewet / heylet sie die umb sich fressenden schäden / als den wolff / unnd dergleichen. Sie heylet auch allerley böß und faul schäden. In wein gesotten unn getruncken / stelt sie den bauchfluß. Man gebraucht sich diser wurtzel nit so seer zu erweckung der Eelichen werck / als der Knabenkreüter / dann sie zu solchem gebrauch nit so dienstlich erfunden würt. Dise wurtzel heylet auch die mundfeule / in wasser gesotten / und den mund darmit gewäschen."
(Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543)