"[III.82. - Haarstrang] - Peucedanum officinale (Umbelliferae) - Gemeiner Haarstrang
Der Peukedanos; [Einige nennen ihn wilden Fenchel, Andere Agriophyllon, die Propheten guten Geist, auch Pinasgelum, die Römer Sataria]
treibt einen schmalen fenchelähnlichen Stengel, um die Wurzel hat er
einen tüchtigen, dichten Schopf, eine gelbe Blüthe, eine schwarze, durchdringend riechende, volle, saftreiche Wurzel. Er wächst an schattigen
Bergen. Der Saft wird daraus gewonnen, indem die zarte Wurzel mit
einem Messer abgeschnitten und der ausfliessende Saft rasch in den
Schatten gestellt wird, denn in der Sonne schwindet er bald. Beim Sammeln
aber verursacht er Kopfschmerz und Schwindel, wenn man nicht vorher
seine Nase mit Rosenöl eingerieben und den Kopf damit besprengt hat.
Die Wurzel, welcher man den Saft entzogen hat, ist unbrauchbar. Auch
aus den Stengeln und der Wurzel wird natürlicher und ausgepresster Saft
gezogen, wie bei der Mandragora, dieser Saft wirkt aber schwacher als
der natürliche, verliert auch schneller seine Kraft. Zuweilen findet sich
eine schon hart gewordene weihrauchähnliche Thräne an den Stengeln
und Wurzeln klebend. Den Vorzug verdient der in Sardinien und Samothrake gewonnene Saft, er ist von durchdringendem Geruch, tiefgelb und
hat brennenden Geschmack. Mit Essig Und Rosensalbe als Einsalbung
ist er ein gutes Mittel bei Lethargie, Hirnkranklieit, Schwindel, Epilepsie,
chronischem Kopfschmerz, Paralyse, Ischias, überhaupt bei allen Nervenleiden, wenn er mit Oel und Essig eingeschmiert wird. Er ist auch ein
Riechmittel bei Mutterkrämpfen und zum Aufwecken der Ohnmächtigen.
Zum Räucherung angezündet verscheucht er wilde Thiere. Ferner hilft er
mit Rosenöl eingetröpfelt bei Ohrenleiden, und in den angefressenen
Zahn gesteckt bei Zahnschmerzen. Weiter ist er von guter Wirkung,
wenn er mit Eiern genommen wird, bei Husten, ebenso bei Athemnoth
Leibschneiden und Blähungszuständen. Den Bauch erweicht er leicht,
verkleinert die Milz und hilft vorzüglich bei schweren Geburten. Ferner
ist er im Trank ein gutes Mittel gegen Schmerzen und Spannung der
Blase und der Nieren, er öffnet auch die Gebärmutter. Die Wurzel
leistet dasselbe, wirkt aber schwächer; auch ihre Abkochung wird getrunken. Trocken fein gerieben reinigt sie schmutzige Geschwüre, zieht
Knochensplitter aus und bringt alte Wunden zur Vernarbung. Sie wird
auch Ceraten und erwärmenden Salben zugesetzt. Wähle aber die frische,
nicht zerfressene, derbe, die vollen Geruch hat. Zu den Tränken wird
der natürliche Saft mit bitteren Mandeln, Raute, warmem Brod oder Dill
versetzt."
(Dioskurides: Materia Medica, Übersetzung von Julius Berends, 1902)