"Allbekannt ist auch in Teutschland der Feigenbaum und seine Früchte, die jedoch nur an sehr sonnigen, geschützten Orten und in warmen Jahrgängen bei uns zur gehörigen Reife hommen, aber auch dann nicht besonders schmackhaft werden, wenigstens mit denen nicht zu vergleichen sind, die aus mehr südlichen Gegenden uns zugeführt werden.
Unter Griechenlands wärmerem Himmel wächst nicht nur der Feigenbaum wild» sondern wird auch in Menge cultivirt , und macht an mehreren Orten einen Haupt- Nahrungszweig aus. Nach Tourneforts Bericht sind trockne Feigen und Gerstenbrod die Hauptnahrung der Bauern und Mönche auf dem Archipelagus.
Die Hippokratiker halten die frischen sowohl als getrockneten Feigen zwar für erhitzend, doch auch für eröffnend und die frischen zugleich für anfeuchtend. Die ersten oder unreifen, noch milchigen Feigen werden für sehr nachtheilig, die letzten (reifesten) aber für die besten gehalten.
Die grüne , saftige Rinde der Aeste des Baumes benutzte man äußerlich bei Krankheiten des Uterus, so wie auch mit Wein zerrieben oder für sich nebst Honig zur Heilung schlimmer Geshwüre.
Die Blätter wurden mit Wasser gekocht als Cataplas bei Entzündungen und Gschwulsten angewendet.
Die unreifen Feigen werden öfter in den hippokratischen Büchern genannt, und großentheils äußerlich , bei Krankheiten des Uterus, zu gebrauchen angerathen. Wie bereits oben schon erinnert wurde, enthalten die unreifen Früchte einen Milchsaft, welcher bedeutend herbe und scharf ist ; man bediente sich desselben als eines blutstillenden Mittels, indem man ihn auf Wolle getröpfelt , an das verletzte Gefäß brachte , ferner in Verbindung mit andern Mitteln zur Heilung der Geschwüre, so wie bei Verhärtung des Muttermundes,
Dass die reifen Feigen sehr nährend sind, war den Alten nicht unbekannt. Pythagoras schätzte sie dem Fleische gleich und den Athleten dienten sie als tägliche Speise zur Erhaltung ihrer Körperkräfte.
Bei der Bräune bediente man sich der Feigen in Wasser gekocht zum Gurgeln oder zum Ausspülen des Mundes, ferner wird in der Gelbsucht ein Feigendekokt angerathen ; äußerlich wurden sie zur Heilung der Wunden gebraucht und zwar nur der innre, honigartige Theil; auch wird an einigen Orten erinnert, dass die Körner, oder Samen vor dem Gebrauche zuerst entfernt werden müssten.
Unbemerkt darf nicht gelassen werden , dass in den hippokratischen Schriften , schwarze und weiße Feigen genannt sind — Ausdrücke, die sich wahrscheinlich auf die Farbe der Früchte beziehen, deren es wie bekannt, eine große Zahl Abarten gibt."
(J.H.Dierbach: Die Arzneimittel des Hippokrates, 1824)