"Das zam Bingelkraut würt von ettlichen Mercurius kraut unnd Kuwurtz genent. Von den Griechen Linozostis / zu Latein Mercurialis. Unnd das darumb / das von dem Mercurio sol erfunden sein.
Des zamen Bingelkrauts / gleich wie des wilden / seind zweyerley geschlecht / mennle und weible. Haben keinen sonderlichen underscheyd / dann allein im samen. Wiewol auch die bletter am mennle / ettwas schwertzer seind / dann des weiblins.
Bingelkraut hat bletter wie das groß Basilgen kraut / oder Tag unn nacht / doch kleiner. Sein stengel unnd ästlin haben vil gleych oder knoden / auß welchen die bletter entspringen. Das mennle bringt bey den gleychen seinen samen / der ist rund und rauch / ye zwey und zwey körnlin / als zwey hödlin neben einander. Das weible aber hat ein zusamen getrungen samen auß vilen körnern wie ein klein treublin. Fellt etwan on samen ab. Die wurtzel ist zasecht. Das gantz kraut wechßt selten über anderhalb spannen hoch.
Die Bingelkreüter wachsen in gärten dahin mans pflantzt / unn in den weingärten. Besamet sich alle jar selbs / allso das sie nit wol / wo mans ein mal hinpflantzt / mögen außgereüt und vertilget werden.
Im Augstmonat bringt diß Bingelkraut seinen samen.
Bingelkreüter seind warm und trucken im ersten grad.
Beyde mennle unnd weible wie andere grüne kreüter gessen / machen einen linden bauch und stulgang. In wasser gesotten / und dasselbig getruncken / purgiert und treibt auß durch den stulgang die gallen / und das wasser. Man sagt wann das weible zerstossen / und den weibern nach der reynigung in die muter gethon werde / sollen sie töchterle empfangen. Und herwiderumm das mennle der gestalt gebraucht / sollen sie knäble geberen. Gleiche würckung sol auch der safft haben / mit süssem wein nach der reynigung getruncken. Unnd die bletter mit öl unn saltz gesotten / oder row mit essig gessen. Mit hönig in die muter gethon / bringen sie den frawen jre zeit / und treiben das nachbürdlin. Der safft vom Bingelkraut in die ohren gethon / bringt das gehör. Die bletter zerstossen unnd übergelegt / treiben den harn / und seind der blasen nützlich. Die Bingelkreüter grün zerstossen und übergelegt / verzeren und zerteylen knollen und geschwulst."

"Das wild Bingelkraut würt auff Griechisch Cynocrambe genent / oder Cynia / oder Linozostis agria / zu Latein Canina brassica / und sylvestris Mercurialis. Etlich heyssen diß kraut auff Teütsch Hundßköl nach dem Griechischen namen.
Des wilden Bingelkrauts seind auch wie des zamen zwey geschlecht / mennle unn weible. Haben keinen underscheyd dann allein im samen / welcher am mennle ist zwey runder körnlin / als zwey hödlin. Am weible aber ist er nach zusamen getrungen / wie die kleinen treublin.
Das wild oder wald Bingelkraut gewindt einen stengel nit vil über spannen hoch / der ist zart / unn weißlecht. Die bletter seind dem zamen Bingelkraut gleich / doch ein wenig grösser / und gleychß weit von einander. Der sam am mennlin zwüschen den blettern / seind zwey runde körnlin / als zwey hödlin neben einander / in kleinen heütlin verschlossen. Aber am weible ist er gantz drausselecht wie die kleinen treublin bey einander an einem kleinen style / das wechßt zwüschen den blettern herauß. So die zeitig werden / springt der rund blawfarb same herauß. Die wurtzel ist gantz zasecht und fladert hin und wider.
Die wilden Bingel wachsen fürnemlich inn den wälden. Werden zu zeiten auch auff den hohen bergen neben den zeünen und hecken gefunden.
Wild Bingelkreüter blüen im Aprillen / unnd bringen frucht oder samen im Meyen.
Die wilden Bingelkreüter / dieweil sie am geschmack kein underscheyd haben von den zamen / seind sie einerley natur und complexion. Die wilden Bingel wie andere grüne kreüter gessen / lindern den stulgang. In wasser gesotten und getruncken / purgieren sie unnd treiben auß die gallen / und das wasser im leib. Und in summa / haben alle würckung der zamen / von welchen wir hernach schreiben wöllen."
(Leonhart Fuchs: Das Kräuterbuch von 1543)