• "Hyoscyamus niger L., Bilsenkraut, Hyoscyamus albus L., weisses Bilsenkraut, Hyoscyamus aureus L., gelbes Bilsenkraut (Solan.). —Hyoscyamus, dessen Samen schwarz und Blüthen purpurartig sind, verursacht Wahnsinn und Sopor. Ihm nahe steht der, dessen Samen gelb und dessen Blüthen apfelfarben sind. Beide Arten sind unbrauchbar und als verderblich zu meiden. Hyoscyamus mit weissen Samen und Blüthen ist noch am ehesten zu verwenden. Er macht im 3. Grade kalt. — Galen zählt Hyoscyamus zu den Anodynis und erklärt die schmerzstillende Wirkung dadurch, dass diese Mittel, zu denen er auch Conium maculat., Opium, Mandragora, Strychn. manicum u. s. w. rechnet, den ganzan Körper abkühlen und Anästhesie hervorrufen. Nimmt man aber eine grössere Dosis, so wirken sie letal. Doch ist auch als Anodynum der Hyoscyamus alb. dem niger vorzuziehen (wegen der stark toxischen Wirkung des letzteren). Auch in mehreren anderen Werken betont Galen die sensibilitätsverringernde, narkotische und letale Wirkung des Hyoscyamus. Gegen Hyoscyamus-Vergiftung empfiehlt Galen ausser Entleerung des Magens durch Brechen, reichlichen Milchgenuss.
    Die hier betonte narkotische Wirkung des Hyoscyamus ist eine durch die moderne Pharmakologie wohl begründete. Bekanntlich sind in den Samen des Hyoscyamus das Ladenburg’sche Hyoscin und das E. Schmidt’sche Scopolamin enthalten. Diese beiden Tropeine, welche wohl aller Wahrscheinlichkeit nach identisch sind setzen im Gegensatz zu Atropin die Erregbarkeit der Grosshirnrinde herab und werden bei Geisteskrankheiten als Hypnoticum angewendet. Von den peripheren Wirkungen des Hyoscyamus sagt Galen nichts aus, ebenso wenig wie Hippokrates, Largus, Abu Mansur und die Araber. Wenn Abu Mansur bei Schilderung der Vergiftungssymptome angiebt, dass die Augen roth werden, so können wir das als Beobachtung der Pupillenwirkung des Hyoscyamus nicht auffassen. Aeusserlich verwendet Galen in seinen „Hausmitteln" herb. Hyoscyam. c. Oel und Butter gegen Parotitis, bekanntlich auch heutzutage ein beliebtes Hausmittel gegen Parotitis epidemica."
    (Ludwig Israelson: Die "materia medica" des Klaudios Galenos, 1894)
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